„I am asking you to live in the presence of reality, an invigorating life.“
– Virginia Woolf

„Is fashion racist?“ fragte die Vogue 2008 in einem Artikel, der sich dieser Frage widmen sollte. Fast naiv wirkt dies, unterhalten doch die Modeindustrie und ihre auflagenstarken Magazine seit jeher eine intime Beziehung zu Rassismus und kolonialen Bildwelten. Dazu gehören u.a. die Abwesenheit Schwarzer Menschen als Models oder hinter den Kulissen als Designer_innen. Oder aber die Aneignungspraxen weißer westlicher Modedesigner wie Yves Saint Laurent und John Galliano, die jeweils mehrere „afrikainspirierte“ Kollektionen entworfen haben.

Ebenso führen Mode und Feminismus seit jeher eine ambivalente Beziehung, wie schon Leslie Rabine 1994 in ihrem Essay „A Woman’s Two Bodies“ feststellte.1)Rabine, Leslie W. (1994): A Woman’s Two Bodies: Fashion Magazines, Consumerism, and Feminism, in: On Fashion. Rutgers University Press, S. 59-75. Mode/Kleidung erfüllen die normative Funktion (Frauen)Körper zu kontrollieren und dominante Schöheitsideale zu reproduzieren. Gleichzeitig ist die Praxis des sich Kleidens auch Ausdruck von Selbststimmung, eine Möglichkeit der Selbstinszenierung oder kann Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe darstellen.

Die Rassifizierung und Sexualisierung besonders Schwarzer weiblicher Körper in der visuellen Repräsentation innerhalb der Modeindustrie, der Konsum sowie die Aneignung nicht-weißer Kulturen und Kleidungsstile, bleiben weiterhin problematisch. Rassistische Darstellung in Modemagazinen oder auf Laufstegen sind auch 2015 noch aktuell. Eine ernsthafte Auseinandersetzung der Modeindustrie mit Rassismus ist also an der Zeit.

Schönheitsideale und Repräsentationspraxen, die in Modemagazinen zum Konsum angeboten werden, zeigen enge Verbindungen zu kolonialen und damit rassifizierten sowie hierarchisierten Repräsentationsmustern auf. Körper werden hier anhand ihres Grads der Rassifizierung entlang der Konstruktion „Schönheit“ hierarchisiert, wobei weiße Körper als unmarkiertes und normatives Zentrum fungieren und alle davon abweichenden Körper als markierte Körper entlang der normativen Schönheitsideale von „Weißsein“ organisiert werden.

Der Körper und dessen Inszenierung bilden den Ausgangspunkt von Rassifizierung, Schönheitsidealen und Schönheitsnormen. Hinzu kommt in der Mode und Modefotografie aber auch die Inszenierung des Körpers durch Körperdekoration und Kleidung. Neben den weitgehenden Ausschlüsse von Models of Color zeigen Modemagazine allzu oft stereotype Darstellungen von „Afrika“, exotisierte und koloniale Bildwelten und bedienen sich rassistischer Klischees. Das Sahnehäubchen: immer wieder Blackface-Fotostrecken in namhaften Modemagazinen, allen voran die Vogue.

Wie äußert sich Rassismus in der Modewelt?

Modenschauen großer Modelabels werden meist von weißen Models „geschmückt“ – Models of Color sind kaum zu finden. Auf dem Blog Jezebel sammelt Jenna Sauer seit einigen Jahren Daten zur Diversity der Models der „New York Fashion Week“. Erst letztes Jahr, also 2014, sah das dann so aus: von insgesamt 148 Modenschauen, auf denen 4621 verschiedene „Looks“ gezeigt wurden, wurden insgesamt nur 985 von Models of Color getragen. Knapp 80% der Models waren weiß.

99% aller Voguemagazin-Cover zeigen weiße Frauen (es sind meistens Frauen auf den Covern zu sehen). Erst 1966 zeigte die US Ausgabe der Vogue erstmals ein Schwarzes Model auf dem Cover – allerdings verbarg Donyale Luna ihr Gesicht hinter ihrer Hand, um nicht zu viel Aufregung auszulösen.

Immer wieder werden Schönheitstrends oder -ideale Schwarzer Frauen oder aus Communities of Color ignoriert und erst dann zum Trend erklärt, wenn weiße Menschen sie tragen. So beispielsweise bei der „Erfindung“ des „Babyhair“, das erst kürzlich durch die Ästhetik FKA Twigs wieder Popularität erlangte. Plötzlich wird dieser Trend Katy Perry zugeschrieben, wie zuvor schon „Cornrows“ Kendall Jenner zugeschrieben worden sind. Die Liste rassistischer Fashionmomente ließe sich fortschreiben.

Blackface en Vogue

Auch die rassistische Praxis des Blackfacing findet bis heute nicht nur auf Theaterbühnen, sondern auch in Modemagazinen statt. „Blackfacing“ ist im 19. Jahrhundert in den USA entstanden, als weiße Darsteller_innen in sogenannten „Minstrel Shows“ mit geschwärztem Gesicht Schwarze Menschen in rassistischer Weise nachahmten.

Karl Lagerfeld, seines Zeichens weißer Mann, war einst zu Gast in einer französischen Talkshow, in der es um Rassismus in der Modewelt ging. Anwesend auch das Schwarze Französische Model Noémie Lenoir, die aus erster Hand berichtete, wie viel Rassismus sie erlebt und welch ungleiche Voraussetzungen für weiße Models und Models of Color bestehen. Das jedoch konnte Herrn Lagerfeld nicht davon abringen zu bestätigen: Der Vorteil der Mode sei eben, dass es keinen Rassismus gibt!

Na dann, Karl. Leider hat er vergessen, dass auch er in erster Linie weiße Models bucht und dass Blackface oder andere rassistischen und rassifizierenden Praxen ihm nicht fremd sind. So geschehen mit seiner einstigen Muse Claudia Schiffer. Für das Cover einer Sonderausgabe des Bandes „Stern Fotografie“ ließ er Frau Schiffer ihre „universelle“ Schönheit unter Beweis stellen. Auf dem Cover ist Claudia Schiffer in verschiedenen „Verkleidungen“ zu sehen, auch in Blackface mit Afroperücke und in Yellowface mit schwarzen glatten Haaren als „Geisha“. Was damit bewiesen werden sollte, war, dass sie wirklich alles sein kann. Dieses „alles“ schließt auch Fantasien von „racial transgression“ mit ein, also das Überschreiten der eigenen „Rasse“, hin zu einer anderen.

Die Stereotypisierung des rassifizierten Schwarzen weiblichen Körpers im kolonialen Diskurs äußert sich durch die Praxis des Blackfacing weißer weiblicher Körper als rassistische und nicht als ästhetische Praxis. Die Verbindungslinien zwischen Rassismus und Sexismus kommen in diesem Beispiel zum Tragen, denn als Rechtfertigung auf die „Rassismus Vorwürfe™“, ließ ein Sprecher Claudia Schiffers verlauten: “the images were designed to reflect different men’s fantasies.”

Eating the Other

Alles sein können, überall hingehen können, sich einverleiben ohne dabei jemals selbst markiert zu werden. Das ist die Macht von Weißsein. Grada Kilomba scheibt “Whiteness has the ability to move, and this ability to move results in the unmarking of the white body.”2)Kilomba, Grada 2008: Plantation Memories. Unrast Verlag. S. 80. Die Tatsache, dass in Modemagazinen weltweit immer wieder zu Blackface gegriffen wird, zeigt auch, dass sich die Modewelt jenseits gängiger Korrektheitsvorschriften wähnt.

Im Gegensatz zur Minstrel Show, dem Ursprung des Blackface, wird in Modemagazinen nicht versucht, eine „hässliche“ Karikatur zu zeichnen. Die rassistische Fantasie, der die Modeindustrie hier immer wieder folgt, fußt darauf, vermeintlich „Schönes“ bzw. „Schönheit“ zu produzieren und somit frei von jeder Verantwortung zu sein. Wenn es schön ist, kann es nicht rassistisch sein, denn Rassismus ist hässlich – so die vermeintlich unschuldige Logik dahinter.

Auch bei Cultural Appropriation, also der Aneignung nicht westlicher oder nicht europäischer Kleidungsstile, Stoffe oder Symbole, wird dies offensichtlich. In oft als Hommage betitelten Modekollektionen oder Fotoserien bedienen sich Designer_innen, Fotograf_innen oder Creative Director_innen immer wieder „anderer“ Inspirationen. Oft wird hier „vergessen“ die Quelle der Inspiration anzugeben. So werden beispielsweise Waxprint-Stoffe seit einiger Zeit vermehrt von westlichen Designer_innen für ihre Kollektionen benutzt. Dass diese Stoffe in vielen afrikanischen Ländern zur Alltagskleidung gehören, wird jedoch nicht weiter beachtet. Das „Exotische“ dieser Stoffe wird dann zum Trend erklärt, wenn es der westlichen Kundschaft zum Konsum angeboten werden kann.

Der Konsum der „Anderen“, das Aufessen oder Einverleiben, wie bell hooks3)bell hooks 2009: Eating the Other, in: Black Looks: Race and Representation. ORT: Turnaround Publisher Services Limited, S. 21-40. es nennt, wird so stetig in der Modewelt fortgeschrieben. Sara Ahmed schreibt: „Difference becomes a style that the white nation and body can put on and take off.“1 Das Versprechen der Mode ist nicht nur Selbstverwirklichung durch Konsum, es geht auch um die Möglichkeit sich verwandeln zu können. „Ich kann haben, was die haben“ – offenbar bezieht sich diese Fantasie in der Mode nicht nur auf Objekte und Kleidungsstücke, sondern schließt ganze Identitäten mit ein.

Einverleiben von Styles von Subkulturen, marginalisierten Gruppen oder ganzen Kontinenten gehört auch zum Kerngeschäft niedrigpreisiger Modeketten. Was auf der Straße als Symbol der Zugehörigkeit funktioniert, wird vom Mainstream adaptiert, so dass sich jedes weiße Mittelstandskind bundesdeutscher Vorstädte dessen bedienen kann. Frei nach Sara Ahmed werden so (weiße) Konsument_innen eingeladen, sich „das Andere“ einzuverleiben: Eat, digest, and shit it out.4)Ahmed, Sara 2000: Strange Encounters. Embodied Others in Post-Coloniality. Routledge. S. 117.

„Rasse“ ist in der Sprache der Mode und Modefotografie ein Accessoire: Du trägst es, wenn du es hast oder kannst es dir kaufen und anziehen. Das Privileg, sich einfach eine andere „Haut“ anziehen zu können, liegt aber bei weißen Menschen. Schwarze Models werden nicht nur seltener für Catwalks oder Fotoshoots gebucht, sondern werden einfach mit irgendwie schwarz angemalten weißen Frauen ersetzt. Wenn sie doch einmal in größeren Magazinen vorkommen, dann nicht selten in Leopardenprints, „animalisch“ oder wie Alek Wek einfach als Kaffeebohne, inszeniert in einer Tasse. Das sudanesische Model Wek wurde, wie in diesem Beispiel, somit zum Objekt degradiert und zum Konsum angeboten.

Die Darstellungsweisen solcher Schönheitsideale und Repräsentationspraxen in Modemagazinen zeigen enge Verbindungen zu kolonialen und damit rassifizierten sowie hierarchisierten Repräsentationsmustern. Körper werden hier anhand ihres Grads der Rassifizierung entlang der Konstruktion „Schönheit“ hierarchisiert, wobei der weiße Körper als unmarkiertes und normatives Zentrum fungiert und alle davon abweichenden Körper als markierte Körper entlang der normativen Schönheitsideale von „Weißsein“ organisiert werden. Körper werden in der Modewelt als sexualisierte Objekte genutzt, die letztlich entweder selbst zum Konsumieren oder aber die Fantasie der Überschreitung/Transgression der eigenen Positioniertheit der Konsument_in anregen sollen.

Ein gewisser Wandel ist auch in der Modeindustrie spürbar, allen voran in der Kampagne „Balance Diversity“ von Bethan Hardison, in der Hardison zu mehr Diversity auf Laufstegen aufruft und bereits etliche Labels wegen ihres Rassismus öffentlich „geshamed“ hat. Gleichzeitig bleibt es ein weißes Privileg, sich rassifizierte Symbole anzuziehen und sich damit zu schmücken und nach belieben wieder abzulegen. Nadja Auermann hat sich einst für ein Fotoshooting komplett schwarz anmalen lassen und verträumt im Interview dazu erzählt, wie sie schon immer eine spirituelle Verbindung zu „Afrika“ verspürt habe und diese jetzt endlich zeigen kann. Diese wirklich mysteriöse Verbindung zu „Afrika“ hört aber dann auf, wenn es darum geht, Rassismus zu bekämpfen. Schwarz sein wollen, weil es chic ist, Babyhair am Vorderkopf schmücken, weil es Trend ist, ohne die Konsequenzen von Rassismus spüren zu müssen: nämlich Racial Profiling, Diskriminierung und Gewalt.

  1. Ahmed, Sara 2000: Strange Encounters. Embodied Others in Post-Coloniality. Routledge. S. 133. Siehe auch Sara Ahmed 2002: Racialized Bodies, in: Mary Evans and Ellie Lee (Hg.): Real Bodies: A Sociological Introduction. Palgrave Macmillan, 46-63.
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Fußnoten

Fußnoten
1 Rabine, Leslie W. (1994): A Woman’s Two Bodies: Fashion Magazines, Consumerism, and Feminism, in: On Fashion. Rutgers University Press, S. 59-75.
2 Kilomba, Grada 2008: Plantation Memories. Unrast Verlag. S. 80.
3 bell hooks 2009: Eating the Other, in: Black Looks: Race and Representation. ORT: Turnaround Publisher Services Limited, S. 21-40.
4 Ahmed, Sara 2000: Strange Encounters. Embodied Others in Post-Coloniality. Routledge. S. 117.