„I am asking you to live in the presence of reality, an invigorating life.“
– Virginia Woolf

Die 1982 entstandene Zeitschrift feministische studien erscheint bald im 35. Jahr. Mehrmaligen Verlagswechseln und kontrovers geführten Debatten um den Namen zum Trotz blieb dieser. feministische studien heißt die Zeitschrift bis heute. Der thematische Bogen der Hefte war und ist weit gespannt: Geschlechterverhältnisse in einzelnen Ländern wurden analysiert, Care und Sorgeverhältnisse, Frauenbewegungen und Neuer Feminismus, Queerness, Recht und Politik, Sozialpolitik, Universitäten in gesellschaftlichen Transformationsprozessen untersucht und die Kategorie Geschlecht dekonstruiert sowie die Relevanz von doing gender-Ansätzen und Intersektionalität diskutiert. Mit der Frage an zahlreiche feministische Wissenschaftlerinnen „Was ist und wozu heute noch feministische Theorie?“ (1_2013) entstand ein Heft, das sich angesichts neoliberaler Instrumentalisierung des Feminismus an eine vielseitige Bilanzierung wagte und die gegenwärtigen alten und neuen Herausforderungen benannte.

Hier wurde deutlich: Frauen- und Geschlechterforschung wurde und wird als Wissenschaftskritik sowie als Gesellschaftskritik verstanden. Sie ist von politischer Relevanz, zielt auf Gesellschaftsveränderung und entwickelt feministische Forderungen und Visionen. Feministische Theorie nimmt gesellschaftliche Machtverhältnisse und Ungleichheiten als Ausgangspunkt, sie ist oppositionell und widerständig. Die stattfindende Wissensproduktion ist Teil eines politischen Prozesses, sich einzumischen, nach wie vor konstitutiv. Im Kontext dieses Prozesses ist das Dreieck Frauenbewegung(en), Feminismus und Frauen- und Geschlechterforschung sowohl von den Autorinnen dieses Heftes wie in den feministischen studien insgesamt intensiv reflektiert worden.

Inzwischen sind die feministischen studien die älteste Zeitschrift für Frauen- und Geschlechterforschung im deutschsprachigen Raum; die beiträge zur feministischen theorie und praxis, deren erstes Heft 1978 erschien, wurden 2008 eingestellt. In Europa ist nur die Feminist Review früher gegründet worden, und zwar 1979. Die wechselnden Redaktionsmitglieder der studien kamen zumeist aus Deutschland, sie arbeiteten zum Großteil an Universitäten und Fachhochschulen, und sie vertraten unterschiedliche Disziplinen. Vier Verlage boten den studien in 35 Jahren eine verlegerische Heimat: der Beltz-Verlag, der Deutsche Studien Verlag, Lucius & Lucius und seit Anfang 2016 der de Gruyter-Verlag. Die Arbeit des Redaktionskollektivs findet bis heute ehrenamtlich statt, nur eine redaktionelle Unterstützung wird seit einigen Jahren aus Spenden des Fördervereins Feministische Studien e.V. finanziert.

Die Jahrgänge mit jeweils zwei Heften dokumentieren die Themen- und Theoriekonjunkturen in der deutschsprachigen Geschlechterforschung und feministischen Theorie. Allen gemeinsam ist das Anliegen, dem im Untertitel benannten Anspruch, eine Zeitschrift für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung zu sein, möglichst gerecht zu werden. Neben den thematisch fokussierten Schwerpunkten finden sich Forschungsüberblicke, Interviews, Kommentare und Debatten sowie Tagungsberichte und Buchbesprechungen; regelmäßig präsentieren wir in der Rubrik „Bilder und Zeichen“ die Werke von Künstlerinnen, Ausstellungen und künstlerische Auseinandersetzungen.

Die Zeitschrift feministische studien wird 35. Sie ist also im ‚besten Alter‘. Im ‚besten Alter‘ ist auch Regine Othmer, die am 19. Oktober ihren siebzigsten Geburtstag feiert. 1985 gab sie ein Heft über „Konstruktionen des Weiblichen in den Sozialwissenschaften“ (2, 1985) mit heraus, seitdem arbeitet sie bis heute in der Redaktion mit. In dieser Zeit hat die Literatur- und Sozialwissenschaftlerin neben zahlreichen Rezensionen und Berichten Aufsätze zum Beispiel über Weibliches Schreiben (1_1988), über Feminismus und Psychoanalyse (2_1989), zu Hannah Arendt und Mary McCarthy (1_2007) in den studien publiziert, aber vor allem regelmäßig Hefte mitherausgegeben. Wenn ich richtig gezählt habe, waren es im Laufe der Jahre fünfzehn (!). In meiner Erinnerung nimmt vor allem das von ihr gemeinsam mit Annemarie Tröger herausgegebene Heft „Zwischenzeiten – Frauenforschung aus der DDR“ (1_1990) einen herausragenden Platz in der langen Liste der Themenschwerpunkthefte der feministischen studien ein. Die Vorarbeiten und Kontaktaufnahmen fanden bereits 1987 statt, und die Arbeit am Heft fiel genau in die Wendezeit, die dann auch mit den Autorinnen in dem ausführlichen Gespräch „Atemschwelle – Versuche, Richtung zu gewinnen“ reflektiert wurde. Auch das Heft über „Geschlechterverhältnisse in Rußland“ (1_1999) dokumentiert das Interesse von Regine Othmer an gesellschaftlichen Transformationsprozessen in postsozialistischen Ländern.

Viele Jahrzehnte Redaktions- und Lektoratserfahrung haben dazu beigetragen, dass ihr die inhaltliche und redaktionelle Arbeit leicht und professionell von der Hand geht. Auch als sensible und kompetente Übersetzerin englischer, französischer und italienischer Beiträge ist sie seit Jahren für die studien unverzichtbar. Kritisch und anspruchsvoll, aber immer mit überzeugender Sachkenntnis hat Regine Othmer viele Autor_innen der feministischen studien betreut und zum Gelingen der Zeitschrift beigetragen. Dafür sei ihr gedankt – und zum 70sten Geburtstag herzlichst gratuliert!