Heft 1/2025, Artikulationen von Klasse und Geschlecht (Hg. Elisabeth Klaus, Mona Motakef)
Warum das Thema der neuen Ausgabe der fs sie in Bann gezogen hat und worauf sich die Leser_innen freuen können, darüber sprechen die beiden Herausgeber_innen Elisabeth Klaus und Mona Motakef im Interview.
1. Worum geht es im Schwerpunktthema des neuen Heftes?
In einer Zeit, in der soziale Ungleichheiten weltweit zunehmen, Prekarität sich ausbreitet und Verteilungskämpfe neu entflammen, hält die Kategorie Klasse wieder vermehrt Einzug in Gesellschaftsanalysen, politische Debatten und künstlerische Auseinandersetzungen. Uns interessiert, welche Relevanz Geschlecht und Geschlechterverhältnisse erhalten, wenn im Namen einer „Klasse“ gesprochen wird. Deshalb verbinden wir aktuelle feministische Studien zu den Artikulationen von Klasse und Geschlecht mit Beiträgen von Klassikerinnen der Gender Studies wie Regina Becker-Schmidt.
2. Worauf können sich die Leser_innen besonders freuen?
In diesem Heft geraten vor allem die Positionen und Artikulationen jener in den Blick, die Abwertungen und strukturelle Benachteiligung in vergeschlechtlichten Klassenverhältnissen wissenschaftlich oder künstlerisch bearbeiten. Einige Beiträge beschäftigen sich mit künstlerischen Autosoziobiografien. Verena Sperk stellt in ihrem literaturwissenschaftlichen Beitrag ins Zentrum, wie die österreichische Komikerin und Schriftstellerin Toxische Pommes (2024) in ihrem Roman Ein schönes Ausländerkind von den ambivalenten Erfahrungen sozialer Mobilität ihrer Herkunftsfamilie erzählt. Barbara Paul und Friederike Nastold fragen am Beispiel von Eva Müllers (2022) Scheiblettenkind und Birgit Weyhes (2016) Madgermanes, mit welchen Bildern und Narrativen vergeschlechtlichte Klassendifferenzen in Graphic Novels thematisiert werden. Eva Müller symbolisiert das Gefühl der klassenbedingten Beschämung, des Ungehorsams und der Bedrohung durch eine Schlange, die ihr ständig etwas einflüstert. Wir haben eine ihrer Zeichnungen deshalb als Titelblatt für das Heft gewählt.
3. Eine Besonderheit der feministischen studien ist die Rubrik »Im Gespräch«. Mit wem wurde diesmal über welches Thema gesprochen?
„Im Gespräch“ setzt bewusst auf den Kontrast. Nicht Erfahrungen von Armut und Ausgrenzung sind hier das Thema, sondern von Reichtum und Privilegierung. Zu Wort kommt Marlene Engelhorn, die in einer Situation des Überreichtums ausgewachsen ist und Steuer- und Umverteilungsfragen für eminent wichtige feministische Anliegen hält. Sie ist Mitbegründerin der Initiative taxmenow und fordert stärker besteuert zu werden. 25 Millionen Euro, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte, ließ sie demokratisch an die Gesellschaft rückverteilen.
4. Welche Künstler_innen werden in der Rubrik Bilder und Zeichen vorgestellt?
Wir stellen die Künstlerin Julischka Stengele und ihre Performance Von der Hand in den Mund in den Mittelpunkt. Die Vielfalt von Klassenpositionierungen zeigt sich anhand der Verwendung von Nahrungsmitteln, in Essens- und Kochgewohnheiten. Im Gespräch mit Romana Hagyo kritisiert Stengele die Verschiebung von der Gesellschaftskritik zur Individualkritik, die sich besonders bei den Themen Ernährung, Körper und Gesundheit zeige. „Kritik gilt den Dicken, den Armen, den Kranken, den Kinderreichen, den Alleinerziehenden, den Hacklern, den Schwerarbeitenden.“
5. Welchen Text würdet ihr als erstes lesen?
Da können wir uns nicht entscheiden: Die Einleitung, für einen Überblick zum Thema? Den klassischen Text von Regina Becker-Schmidt zu Klasse und Geschlecht? Die Reflexionen zu künstlerischen Autosoziobiografien? Die Studie aus Österreich über Armutsbedingungen von Frauen* im Alter? Den Bericht über Entwicklungen in den USA? Wie auch immer man anfangen mag, schon jetzt können sich die Leser_innen auch auf ein zweites Heft zum Thema freuen – die Nachfrage war einfach riesengroß.
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