In den letzten Jahren hat die interdisziplinäre Rechtsforschung dadurch Aufmerksamkeit erlangt, dass sie rechtsdogmatische Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt und die – insbesondere in Deutschland dominante – Tradition der Rechtssoziologie mit internationalen Ansätzen der Law and Society-Forschung verknüpft hat, in der sozialwissenschaftliche, kulturanthropologische und historische Ansätze miteinander verbunden werden. In diesem Feld bildet die feministische Rechtsforschung, die sich auch auf die Legal Gender Studies sowie die Queer Legal Theory bezieht, einen zentralen Strang: Sie arbeitet mit genuin interdisziplinären Elementen und liefert grundsätzliche Aufschlüsse über die ambivalente Konstitution moderner Rechtssysteme und deren Praxen. Das geplante Heft zielt darauf, diese Schnittstelle – das Zusammentreffen von feministischer und empirischer Rechtsforschung – stark zu machen. Gemeinsam mit ihren Anschlüssen an feministische Diskussionen und Politiken soll eine empirisch gesättigte und intersektional perspektivierte Rechtsforschung sichtbar gemacht und zur Diskussion gestellt werden. Recht wird dabei, über den engeren Bereich von Gesetzestexten hinaus, als Praxis und Diskurs sowie in seiner doppelten Dynamik als regulierende und ermöglichende Kraft verstanden, und gesellschaftliche Machtverhältnisse sollen als Gegenstand der interdisziplinären Rechtsforschung in den Blick gerückt werden.
Zentrale Fragen, zu denen wir uns Beiträge wünschen, sind:
* Welche Rolle spielen geltendes Recht, Rechtspraktiken und -diskurse in historischen wie gegenwärtigen gesellschaftlichen Konfliktkonstellationen und (vergeschlechtlichten) Aushandlungsprozessen? Welche Austauschprozesse und Wechselwirkungen, vollziehen sich in diesen Auseinandersetzungen, welche Widersprüche und Ambiguitäten werden sichtbar? Wo und wie treffen alltagsweltliche, institutionelle und rechtliche Praktiken und Diskurse aufeinander?
* Wir wird Recht durch Praxen mobilisiert, von wem und wie wird es angewendet, wie werden dabei rechtsbezogene Anrufungen in unterschiedlichen Prozessen, Modi und Funktionen wirkmächtig? Welche individuellen und kollektiven Akteure werden dabei aktiv? Welche Effekte hat dies in Hinblick auf Kollektivierungen und Solidarisierungen?
* Welche Effekte hat es, wenn Menschen sich – affirmativ, ablehnend oder instrumentell – auf Recht beziehen? Durch welche Praxen und Modi verfestigt Recht hierarchische, binäre Geschlechterordnungen, wo ergeben sich Brüche? Wie ist in diesem Zusammenhang der Begriff der Normativität zu verstehen? Wie funktioniert Rechts(durch)setzung als Normdiffusion oder wo scheitert dies?
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen soll gleichermaßen Aufschlüsse über die Funktionsweise von Recht wie über die Mechanismen und Effekte von Gender als Modus intersektional organisierter Vergeschlechtlichung für bzw. in Recht liefern. Aus dieser doppelten Perspektive auf das Verhältnis von Recht und Geschlecht sollen die Beiträge zur Diskussion darüber beitragen, wie Recht Politiken von Geschlecht und Sexualität prägt und was es bedeutet, wenn Recht zur Lösung gesellschaftlicher Konflikte eingesetzt wird.
Zur Einreichung von Beitragsvorschlägen für die Rubriken „Bilder und Zeichen“ und „Im Gespräch“ laden wir ebenfalls herzlich ein.
Einreichung und Zeitplanung
Wir bitten um Einreichung von Abstracts im Umfang von 300 bis maximal 500 Wörtern bis zum 17. Juli 2020 anmanuskripte@feministische-studien.de sowie an die Gastherausgeber*innen Beate Binder (beate.binder@hu-berlin.de) und Maja Apelt (maja.apelt@uni-potsdam.de).
Im Fall einer positiven Einschätzung durch die Herausgeber*innen erfolgt bis zum 14.August 2020 eine Einladung zur Beitragseinreichung. Der Abgabetermin des fertigen Beitrags im Umfang von max. 40.000 Zeichen ist der 1. Februar 2021. Alle eingereichten Beiträge durchlaufen ein anonymes Begutachtungsverfahren, auf dessen Basis Redaktion und Gastherausgeber*innen die Auswahl der Beiträge treffen.
Für weitere Informationen oder Nachfragen wenden Sie sich bitte an die Herausgeber*innen des Heftes Maja Apelt (maja.apelt@uni-potsdam.de) und Beate Binder (beate.binder@hu-berlin.de).
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