An immer mehr Orten werden derzeit sogenannte Repair Cafés organisiert. Das sind Veranstaltungen, in denen sich Menschen zum Reparieren ihrer Alltagsgegenstände treffen: Während einige Teilnehmer_innen ihre Reparaturhilfe unentgeltlich anbieten, bringen andere defekte Dinge mit, für die sie Reparaturhilfe suchen.
Mitgebracht werden v.a. Küchengeräte und Medientechnologien, aber auch Fahrräder und Textilien. Ziel der Organisator_innen und vieler Teilnehmenden ist es, ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft zu setzen und die Nutzungsdauer ihrer Dinge zu verlängern, um einen Neukauf zu vermeiden. Die Idee ist, nicht eine kostenlose Dienstleistung sondern Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten, damit die Hilfesuchenden sich ihrer Dinge wieder „ermächtigen“ und zukünftig eigenständig reparieren können.
Die niederländische Stiftung Stichting Repair Café beansprucht, das Konzept der Repair Cafés 2009 entwickelt zu haben. Unabhängig davon, ob dies tatsächlich der Ursprung ist, ist zu beobachten, dass das Konzept der Repair Cafés sich in den vergangenen Jahren verbreitet hat, v.a. in westeuropäischen Ländern.
Auch in Deutschland gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Reparatur Cafés, die von ganz unterschiedlichen Akteur_innen organisiert werden. Die Stiftung „Anstiftung Ertomis“ versucht, die Initiativen in Deutschland zu koordinieren: Auf freiwilliger Basis können Reparaturinitiativen sich auf der von der Stiftung betreuten Webseite eintragen und sichtbar werden. Die Stiftung unterstützt auch bei der Gründung von Repair Cafés.
Für mein derzeitiges Forschungsprojekt besuche ich Repair Cafés an verschiedenen Orten. Während ich begeistert bin von der Idee dieses Konzepts, irritieren mich die Praktiken, die ich in Repair Cafés in Bremen, Oldenburg und Berlin beobachten konnte: Während das Konzept innovativ zu sein scheint, reproduzieren die Teilnehmenden vorrangig althergebrachte Geschlechterrollen. Reparaturhelfer für technische Geräte wie Elektrogeräte, Computer oder Smartphones sind Männer, die Reparatur für Textilien übernehmen Frauen.
2014 organisierte ich mit Studierenden ein Repair Café in einem Praxisseminar an der Universität Bremen (Kannengießer 2014). Ziel des Seminars war es, zwei dieser Veranstaltungen zu organisieren, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hierfür zu übernehmen und Helfer_innen für die Bereiche Textil, Fahrrad, Elektro- und Medientechnologien zu finden. Schnell stellte sich heraus, dass viele der Seminarteilnehmenden selbst über Kenntnisse verfügten, um die Rolle der Helfer_innen einzunehmen. Während Studenten sich als Helfer für die Radreparatur oder Reparatur von Medienapparaten meldeten, wollten Studentinnen die „Nähecke“ betreuen. Eine der Teilnehmerinnen sagte: Hilfe könne sie beim Nähen, Stricken und Basteln anbieten – „Mädchensachen halt“.
Dass diese Zuschreibung von Geschlechterrollen und Aufgaben, Kompetenzen oder Interessen kein alleinig deutsches Phänomen ist, zeigt eine Studie von Daniela K. Rosner, die öffentliche Reparaturstätten in Kalifornien, USA, untersucht und ebenfalls beobachtet, dass Frauen die Näharbeiten übernehmen und Männer die elektronischen Geräte reparieren (Rosner 2013, 66ff.).
Seit Jahren versuchen Projekte wie das vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Komm mach MINT“, Mädchen und Frauen für die Studiengängen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu begeistern. Auch wenn der Anteil von Frauen im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich seit den 1970er Jahren steigt, so sind Frauen weiterhin deutlich unterrepräsentiert und ihr Anteil erreicht in vielen Studiengängen nicht mal 10%.
In den Repair Cafés konnte ich nicht einmal diese 10% Frauenanteil bei den Reparaturhelfer_innen für technische Geräte finden. Dabei böten Repair Cafés einen Raum, um spielerisch tradierte Geschlechterrollen aufzubrechen: Gemeinsames Reparieren ist hier nicht nur möglich sondern gewollt, ein Reparaturerfolg ist nicht zwingend notwendig, wenn auch natürlich gewünscht, aber es gibt keinen ökonomischen Druck. Wünschenswert aus einer Geschlechterperspektive wäre, dass die Idee der „Hilfe zur Selbsthilfe“ hier aufgeht und Frauen und Mädchen, die mit ihren defekten Alltagsgenständen zu den Repair Cafés kommen, auch das Reparieren technischer Geräte erlernen, um es zukünftig selbst zu übernehmen und vielleicht sogar anderen zu zeigen.
Die Organisator_innen der Repair Cafés und viele der Teilnehmenden haben mit ihrem Handeln eine nachhaltige Gesellschaft zum Ziel und wollen die Gesellschaft zu einer „besseren“ verändern. Eine bessere Gesellschaft hieße auch eine gerechtere – so könnte in den Repair Cafés die Idee der Nachhaltigkeit mit dem der Geschlechtergerechtigkeit verknüpft werden und damit nicht nur umweltpolitische, sondern auch feministische Ziele verfolgt werden. Das hieße, dass auch Frauen gefunden werden müssen, die Computer, Smartphones und Küchengeräte reparieren können und wollen und für Teilnehmerinnen als Vorbilder fungieren können. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß und wie es auch Daniela K. Rosner in ihrer Untersuchung beschrieben hat (Rosner 2013, 68f.), bleibt dies für die Organisator_innen trotz diverser MINT-Projekte weiterhin eine Herausforderung.
Quellen:
Kannengießer, Sigrid (2014): Studierende organisieren ein Repair Café gegen die Wegwerfgesellschaft. In: Resonanz. Magazin für Studium und Lehre an der Universität Bremen.
Rosner, Daniela K. (2013): Making Citizens, Reassembling Devices: On Gender and the Development of Contemporary Public Sites of Repair in Northern California. In: Public Culture 26:1, S. 51-77.
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